Auch im Yoga Kontext kann es mal heißen "spanne deinen Beckenboden an." Aber was genau ist dein Beckenboden? Hast du gewusst, dass dieser Körperbereich bei Mann und Frau gleichermaßen wichtig ist? Welche Beschwerden können entstehen, wenn dein Beckenboden zu schwach ist und wie kannst du dem entgegen wirken um ihn zu kräftigen? All dies und vieles mehr beantworte ich dir in dem vorliegenden Blogbeitrag. Ja der Beckenboden ist schon fast ein mysteriöses Wort. Es wird häufig verwendet und doch fällt mir immer wieder auf, dass viele gar keine Ahnung haben, was damit eigentlich gemeint ist. Das ist schon wieder so ein Thema, das irgendwie tabuisiert wird, weiß doch eh jeder, was gemeint ist oder? Da braucht man nix erklären... Tja, wie ich so bin, mach ich das jetzt doch mal in etwas größerem Stil, weil ich es ganz ganz wichtig finde. Dein Beckenboden ist eine dreischichtige Muskelstruktur die sich zwischen Schambein, der Innenseite deiner Beckenschaufeln und dem Kreuzbein befindet. Hier siehst du eine Große Abbildung von deinem Beckenboden. Sie stammt von Ray Long, dessen Yoga Anatomiebüchern ich einen Blogbeitrag gewidmet habe. Hier siehst du sehr schön, die drei Muskelebenen. Ich habe sie dir farblich umrahmt um sie etwas voneinander abzusetzen. Klicke auf das Bild um es zu vergrößern. 1. Ebene - äußere Muskelschicht Sie zieht sich in der Form von einer 8 von deinem Schambein vorne zu deinem Steißbein hinten. Der vordere Teil der 8 umschließt Klitoris, Harnröhre und Geschlechtsorgan. Der hintere Teil den Anus oder After zu deutsch. Diese Muskelschicht ist für uns leicht zu aktivieren, da wir ihn für unsere Ausscheidungen gebrauchen. Außerdem wird er beim Orgasmus tätig. Erfühlen der Muskulatur: Spanne die Muskulatur kurz so anspannen, als würdest du den Harnstrahl beim Wasserlassen unterbrechen wollen. 2. Ebene - mittlere Muskelschicht Sie zieht sich in der Form eines Dreieckes von deinem Schambein vorne zu deinen beiden Sitzbeinhöckern. Dabei überlappt sie sich mit der äußeren Muskelschicht in der Mitte, also deinem sogenannten Damm zwischen Geschlechtsorgan und Anus / After. Diese Muskelschicht ist schwerer erfühlbar und wichtig für die Kontinenz. Erfühlen der Muskulatur: Setze dich hin und lege beide Hände unter deine Sitzbeinhöcker, das sind die knöchernen Ansätze die du beim Po rechts und links erspüren kannst. Spanne nun deine Beckenbodenmuskulatur anspannen, in dem du dir vorstellst, du ziehst die Sitzbeinhöcker zur Mitte zusammen. 3. Ebene - innere Muskelschicht Sie verläuft fächerartig von deinem Steißbein aus nach rechts und links zu den Sitzbeinhöckern und von dort aus zum Schambein nach vorne. Sie deckt also die gesamte Innenfläche des Beckens ab und überlappt sich mit den beiden anderen Muskelschichten bei deinem Damm zwischen Geschlechtsorgan und Anus / After. Diese Muskelschicht ist sehr schwer zu erfühlen, zählt sie doch ganz klar zu der Tiefenmuskulatur. Sie schützt und hält die Bauchorgane, stabilisiert den unteren Rücken, ist wichtig für die Kontinenz und verengt bei Erregung die Vagina der Frau. Erfühlen der Muskulatur: Stelle dich aufrecht mit entspannten Knien hin. Dein Rücken befindet sich in einem leichten Hohlkreuz, das Steißbein schiebt in Richtung Boden und das Schambein nach vorne in Richtung Bauch. Strecke dich innerlich lang, in dem du dir vorstellst dass dein Kopf von Oben gehalten wird. Spanne nun in dieser Haltung deinen Beckenboden an. Vielleicht dämmert dir jetzt auch, wieso diese Muskelstruktur so wichtig ist und zwar für Frau und Mann gleichermaßen. Hier nochmal kurz zusammengefasst:
Dies alles gilt für einen starken Beckenboden. Ist er, aus welchen Gründen auch immer, unterentwickelt oder in Mitleidenschaft gezogen, führt dies somit zu beispielsweise zu folgenden Problemen:
Dies sind allerdings "nur" die körperlichen Aspekte. Für alles was in uns gut oder auch weniger gut funktioniert, gibt es immer auch eine psychosomatische Reaktion. Um zu der positiven Formulierung zurückzukehren: Ein gesunder kraftvoller Beckenboden vermittelt dir folgende Gefühle:
Vor knapp 4 Jahren durfte ich an einem viertägigen Ausbildungskurs für Intimtraining bei Andrea Kristion in Budapest teilnehmen. Sie leitete etliche Jahre die Urologie Rehabilitationsstation in einem Krankenhaus, beschäftigt sich nunmehr seit über 30 Jahren mit der Unterleibsregion, speziell dem Beckenboden und entwickelte die Kriston Methode zur Stärkung des Beckenbodens. Außerdem organisierte sie in Kooperation mit Krankenhäusen oder Universitäten etliche großangelegte Studien rund um den Beckenboden. Bei dem Kurs lies sie an ihrem großen Erfahrungsschatz teilhaben und sprach ganz unverblümt über all die Probleme, die durch weitverbreitete Unwissenheit und absolute Ignoranz der Unterleibsregion sowie des Beckenbodens in unserer Gesellschaft vorherrschen. Sie belegte durch Studien, wie überaus kritisch bei Frauen alle Sportarten zu sehen sind, bei denen kontinuierlich / häufig hüpfende Bewegungen ausgeführt werden. Natürlich kann man jetzt auf die Gleichberechtigung mit den Männern pochen und trotzdem Volleyball und Handball spielen. Fakt ist aber, ob es einem nun gefällt oder nicht, dass der weibliche Unterleib nicht dafür angelegt ist, ständig Erschütterungen abzufedern. Die Studien zeigten deutlich, dass bei Handballmanschaften die Frauen zu mindestens einem drittel bereits in sehr jungen Jahren mit einem abgesenkten Beckenboden zu kämpfen hatten. Der Beckenboden ist trainierbar, aber die Verankerung der inneren Organe nicht. Die hängen, ganz profan gesagt, an Seilen und wenn das ausleiert, dann drücken die Organ eben auf den Beckenboden, bis sich dieser absenkt. Andere Studien zeigten, was für einen gravierenden Unterschied es bei Geburten gibt, wenn die Mütter ihren Beckenboden trainiert hatten oder eben auch nicht. Die Schmerzen bei der Geburt waren deutlich minimiert und die Schäden sowie Rückbildungsprobleme ebenfalls. Ganz besonders interessant fand ich jedoch den Bereich Sexualität. Sie berichtete über etliche echte Fallbeispieler ihrer "Schüler" / "Klienten". Viele kommen zu ihr wegen vermeintlichen Potenzproblemen, verfrühter Ejakulation oder vermindertem Lustempfinden. Dass all diese Themen eine Beziehung nachhaltig belasten oder gar zerstören können, ist ein trauriger Fakt. Dass all dies jedoch durch einen kräftigen Beckenboden sich ins absolute Gegenteil umkehren kann, das hätte ich nicht gedacht. Sie berichtete von ihrer Schülerin, die wegen Problemen im vaginalen Bereich zu ihr kam. Im Gespräch stellte sich zudem raus, dass sie beim Geschlechtsverkehr mit Lustlosigkeit kämpfte und es zwischen ihr und ihrem Mann starke Spannungen deswegen gab. Außerdem würde sie schon seit geraumer Zeit versuchen schwanger zu werden, jedoch leider erfolglos. Sie begann mit dem Intimtraining und führte es täglich aus. Nach einer Weile von 2-3 Monaten meldete sich ihr Mann bei Andrea Kristion und bedankte sich bei ihr dafür, dass seine Frau wie ausgewechselt sei. Sie hätte erstmals richtig Freude am Sex und es würde sich auch für ihn viel besser anfühlen, viel intensiver und erfüllender. Er wollte daher ebenfalls mit dem Intimtraining beginnen. Einige Zeit später berichtete die Schülerin, dass sie nun schwanger sei. Sie bekamen schließlich noch zwei weitere Kinder und waren zwischenzeitlich beide als Trainer für das Kriston Intimtraining tätig. Das nenne ich doch echt mal eine Lebensgeschichte ;) Was ich damit sagen will ist: Ein kräftiger Beckenboden, kann dein ganzes Leben, ja sogar deine Beziehung verändern. Nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Das schöne ist: Beckenbodentraining ist echt kein Hexenwerk. Und: Wenn du Yoga praktizierst wird dein Beckenboden häufig mittrainiert. Spätestens, wenn du dich mit dem Thema Mula Bandha beschäftigst und es regelmäßig in deine Yogapraxis integrierst, wird deine ganze Praxis zum Beckenbodentraining. Was es mit Mula Bandha genau auf sich hat, erkläre ich dir in einem separaten Blogbeitrag. Bevor ich dir einige Yogaübungen vorstelle, möchte ich hier nochmal die Gelegenheit nutzen und dich dazu ermuntern, deinen Beckenboden zu erforschen. Brich mit dem Tabu, falls es da noch eines für dich gibt und lege tatsächlich mal Hand an. Finde eine angenehme Haltung, Kindeshaltung aus dem Yoga, Rückenlage mit aufgestellten Beinen oder Seitlage mit angewinkelten Beinen. Lege danach deine Hand an die Stelle, wo du deinen Beckenboden gemäß der oben dargestellten Abbildung und Beschreibung hast. Erfühle die Aktivität deiner Schließmuskeln. Lege anschließend deine Finger auch mal an deinen Damm und stelle dir vor, wie du diesen Bereich nach innen und oben ziehst. Dadurch, dass sich hier alle drei Schichten überlappen, kannst du an dieser Stelle am leichtesten starten und dich zu deiner inneren Muskelschicht vorarbeiten. Probiere verschiedene Positionen bis du eine gefunden hast, in der du am meisten fühlen kannst. Lass dir Zeit, sei geduldig und bleib dran. Anfangs kann es gut sein, dass du das Gefühl hast, deinen Damm überhaupt nicht hochziehen zu können. Macht nichts. Entspanne dich, es ist alles eine Sache der Übung. Wenn du dranbleibst, wird es auch klappen. Kurze Anmerkung: Es ist selbstredend, dass alle oben erwähnten Erfühlungsübungen und auch die unten folgenden weiteren Übungen nicht bei voller Blase gemacht werden. Wenn du irgendwelche Muskulaturen kurzfristig anspannst und dadurch z.B. die Harnröhre schließt, erfolgt dies im leeren und entspannten / druckfreien Zustand. Hier stelle ich dir noch einige Yogaübungen vor, die deinen Beckenboden stärken.
Fällt dir das Halten zu schwer, gestalte die Übung anfangs in einem flow. Einatmend hebst du dein Becken und führst die Arme über deinen Kopf nach oben. Ausatmend senkst du das Becken kontrolliert und dank der Kraft deiner Mitte wieder ab und führst auch die Arme wieder nach unten. Wiederhole das so oft du kannst. Wenn du noch Kraftreserven hast, gehst du einen Schritt weiter. Rolle deine Schultern so unter, dass du die Hände unter deinem Becken zusammenführen und verhaken kannst. Atme tief in den Bauchraum ein und aus und halte die Asana 6-8 Atemzüge bzw. so lange, wie es dir gut möglich ist ohne auszuweichen oder eine Schnappatmung zu entwickeln. Variation: Du kannst die Haltung noch weiter intensivieren, indem du abwechselnd ein Bein anhebst, wenn du das Becken oben hältst. Tue dies aber bitte nur, wenn du bereits kraftvoll in die reguläre Schulterbrücke gehen kannst. Der Auflauf wäre dann: Einatmen: Becken kontrolliert anheben so hoch du kannst, auf die Schultern rollen und die Hände umfassen, anschließend das rechte Bein heben und die Haltung mit tiefer Bauchatmung 6-8 Atemzüge halten. Dann wieder Schultern zurückrollen, Becken senken und die Seite wechseln.
Variation: Du liegst entspannt auf dem Boden Einatmen: Hebe den Oberkörper und die Beine an, deine Arme sind neben den Beinen ausgestreckt, der untere Rücken ist auf der Matte. Halte diese Position 6-8 tiefe Atemzüge oder solange, wie es dir gut möglich ist ohne auszuweichen oder eine Schnappatmung zu entwickeln. Senke dann den Oberkörper und die Beine mit einer Ausatmung kontrolliert ab. Boot: Du sitzt auf dem Boden, die Beine sind aufgestellt. Einatmen: Verlagere dein Gewicht nach Hinten und hebe die Beine rechtwinklig an, so dass deine Unterschenkel parallel zur Matte sind. Halte diese Position wie gehabt 6-8 Atemzüge bzw. solange wie es dir möglich ist. Senke dann den Oberkörper und die Beine mit einer Ausatmung kontrolliert ab.
Halte diese Position 6-8 tiefe Atemzüge oder solange, wie es dir gut möglich ist ohne auszuweichen oder eine Schnappatmung zu entwickeln. Komme dann mit einer Einatmung wieder in die Mitte und wechsle die Seite.
Variation: Du befindest dich in einer Seitlage, der Oberkörper ist leicht erhoben, dein Arm im rechten Winkel abgestützt. Einatmen: Hebe dein Becken, verschränke die Füße, das obere Bein geht nach hinten. Der obere Arm strebt in Richtung Decke, Blick ist nach oben gerichtet. Halte diese Position4-6 Atemzüge, atme tief in den Bauchraum ein und aus. Senke dann mit einer Ausatmung den Körper wieder ab und Wechsel die Seite. Seitliches Brett: Du startest in der gleichen Haltung wie eben. Der einzige Unterschied ist, dass du beim Einatmen den unteren Arm ausstreckst. Sei ganz achtsam und aufmerksam bei deiner Yogapraxis und deinem Beckenboden Training. Halte den Fokus während aller hier gezeigter Übungen immer wieder auf deinem Zentrum, atme tief zu deinem Beckenboden hin und visualisiere, wie du die Kraft für die Haltung aus deinem Beckenboden nimmst. Nun wünsche ich dir viel Spaß beim Erkunden deines Beckenbodens und viel Erfolg bei deinem Training und der Stärkung deiner Körpermitte. Lass uns hier gerne an deinen Erfahrungen teilhaben und melde dich natürlich auch gerne, wenn du Fragen haben solltest. Herzensgrüße Deine Eszter
1 Comment
Hildegard Thönnessen
10/3/2022 12:20:52
Vielen Dank für die anschauliche Erklärung
Reply
Leave a Reply. |
|